Fotos: Polizeihistorische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin
Der als Tunnel 29 berühmt gewordene 120 Meter lange Fluchttunnel reichte von einem Keller in der Bernauer Straße 78/9 bis zur Schönholzer Straße 7. Der Tunnel hatte auf der gesamte Länge eine Breite und eine Höhe von einem Meter.
Ursprünglich sollte der Tunnel ca. 30 Meter weiter bis zur Rheinsberger Straße reichen, aber ein Wassereinbruch ließ die Tunnelbauer umdenken. Um keine weiteren Risiken diesbezüglich einzugehen, denn sie mussten darauf warten, dass irgend jemand den Rohrbruch meldet. Dann konnte es noch lange dauern, bis das Leck behoben und der Tunnel wieder passierbar wurde.
Da der nach Ostberlin hin liegende Bürgersteig der Schönholzer Straße schon ausserhalb des Grenzgebietes lag, war ein längerer Tunnel nicht unbedingt erforderlich.
Am 14. September 1962 kamen die ersten Flüchtlinge durch den Tunnel. Ohne das Wissen einiger Tunnelbauer war ein TV-Team anwesend und filmte die Flüchtlinge beim Verlassen des Tunnels. Für diese Gruppe der Tunnelbauer, die die kommerzielle Filmvermarktung veranlaßt hatten, war damit der Tunnel "Geschichte". Sie wollten keine weitere Aktion mehr riskieren, weil die Dreharbeiten und die damit verbundende Öffentlichkeit "Drüben" aufgefallen sein konnte.
Rainer Haack und einige weitere Tunnelbauer wollten sich damit aber nicht abfinden und setzten die Fluchthilfe fort. Trotz des einsickernden Wassers gelang es ihnen, noch zwei weitere Personen aus der DDR zu befreien.
Führung auf den Spuren des Tunnels 29 mit Rainer Haack und Hasso Herschel. Fotos: © Ralf Gründer, Berlin (14.09.2002)
Rainer Haacks Motivation am Tunnel, seine eigenen Familienangehörigen in den Westen zu holen, schlug fehl. Seine Angehörigen sollten zu einem späteren Zeitpunkt durch den Tunnel geholt werden; durch die Filmarbeiten war die Lebensdauer des Tunnel jedoch auf einen Tag reduziert worden. Trotzdem erfüllt den Tunnelbauer auch Jahrzehnte später ein gewisser Stolz, denn der Tunnel 29 war ein logistisches Meisterstück und wäre einer kommerziellen Firma gerecht geworden.
Rainer Haack hatte vier Monate wie besessen am Tunnel mitgearbeitet, ein Semester an der Uni verloren und war dann übergangen worden. Darüber war er so erbost, dass er seine Fluchthilfe beendete. Erst nachdem er sein Studium erfolgreich beendet und sich mit einer eigenen Firma selbstständig gemacht hatte, traf er in Berlin (West) zufällig auf Hasso Herschel, der ihn Tage daraus später aufsuchte und mit ihm eine weitere Zusammenarbeit vereinbarte.
Zusammen sollten sie fast 1000 Menschen aus dem KZ DDR befreien.
Tipp 1: 29 Flüchtlinge kamen durch einen Tunnel, Der Tagesspiegel, 19. Sept. 1962
Tipp 2: Massenflucht durch einen Tunnel. Größte Gruppenaktion seit dem 13. August 1961 - 29 kamen durch, Telegraf vom 19 Sept. 1962
Tipp 3: Fernsehgesellschaft NBC filmte Tunnelbau / 59 konnten fliehen (Presseente: es waren 29), nach-depesche vom 12. Okt. 1962
Tipp 4: Tunnelbauer wollen Aufführung des Fernshefilms verhindern. 17 von 20 Studenten nahmen kein Geld von NBC, Der Tagesspiegel, 14. Okt. 1962
Tipp 5: Belemmerte Wühlmäuse, Neues Deutschland vom 18. Okt. 1962